NÜRNBERGER LAND – „Es ist ein schwieriges Thema“, stellte Wirtschaftsförderer Frank Richartz nicht zum ersten Mal fest. Jedem Gewerbetreibenden sei spätestens seit Corona die Bedeutung der digitalen Daseinsvorsorge bewusst und doch hielt sich die Teilnahme am Workshop des Landratsamtes in Grenzen. Trotzdem war Richartz am Ende zufrieden.
Doch zunächst herrschte die Enttäuschung vor. „Wir wollten mit dem Termin das Wollen zeigen“, sagte er im Vorfeld. Es sei wichtig, das Thema der Digitalisierung im Handel fortzuführen, nachdem erste Punkte in dem langjährigen Prozess – Heimatgutschein und Schulungen – bereits abgearbeitet worden seien.
Daher lauteten die Ziele des Abends, den aktuellen Stand unvoreingenommen zu betrachten, herauszufinden, was sich durch Corona verstärkt habe, wo der Landkreis unterstützen könne oder ob vielleicht alles passe: „Wir wollen keine Zwangsbeglückung“, betonte Richartz. Die Ideen und Wünsche müssten aus dem Einzelhandel kommen.
Wenige Teilnehmer
Aber der schien seinem Namen gerecht zu werden, hatte er den Eindruck: „Der Handel handelt für sich alleine.“ Denn der Zuspruch am Workshop hielt sich in Grenzen. Doch warum? Diese Frage beschäftigte nicht nur Richartz, sondern auch die Teilnehmer, wie ein offener Austausch zeigte.
Die einen meinten, mancher würde Angst haben, sich mit seiner Unwissenheit im Digitalen eine Blöße zu geben; andere hielten sich generell aus allem raus; vielleicht sei auch der Zeitpunkt am Abend nicht gut gewählt. „Viele Gewerbetreibende sind gerade sehr mit sich beschäftigt“, lautete die Antwort eines weiteren Anwesenden.
Zu viel Angebot
Es gebe zu viele Plattformen, von denen man nicht wüsste, ob sie überhaupt was an Geld bringen, wenn man drauf ist. Das überfordere und mache Angst. Zumal das alles mit Aufwand verbunden sei. „Zeit und Geld sind kostbar“, pflichtete PZ-Verleger Kai Herrmann bei. Die Ressourcen bei den Leuten seien erschöpft, ergänzte jemand anderes. Aber auch die Selbstdarstellung in Social Media stuften einige als Hürde ein, warum Händler sich von diesen Kanälen und dem Thema Digitalisierung fern hielten. Die virtuelle Guerilla-Taktik, die viele während der Krise gefahren sind und die bei den Kunden gut ankam, sei bei den meisten wieder weg.
Dabei sei der Weg zur digitalen Einkaufsstadt unumgänglich, wie Philipp Schleef von der Beratungsagentur Cima in seinem Vortrag deutlich machte. Corona habe bewiesen, dass diejenigen, die Online-Shops, lokale Online-Marktplätze oder Gutscheinsysteme hatten, diese Zeit besser überstanden hätten als andere, machte Schleef klar. Aber es gehe nicht darum, alles in die virtuelle Welt zu verlegen, sondern um eine „sinnvolle Verknüpfung um on- und offline“.
Handy als Schaufenster
Der virtuelle Standort müsse als zusätzliche Geschäftslage gesehen werden, das Smartphone sozusagen als neues, weiteres Schaufenster. Daher müsse alles, was offline erlebbar ist, auch digital abgebildet werden. Das fange bei Einzelmaßnahmen an und münde in gemeinsame Projekte wie beispielsweise einen lokalen Online-Marktplatz für eine Stadt oder Region.
Wer nun dachte, die Technik sei dabei das Wichtigste, lag falsch: „Es braucht einen Kümmerer für jede Aufgabe.“ Sprich das Mitmachen aller sei entscheidend bei einer solchen Plattform. Sie solle für den Kunden ein Erstkontakt sein, der ihn dann zum Betrieb weiterführe. Der könne auch vom gemeinsamen Online-Shop profitieren, denn das finanzielle Risiko sei geringer, so Schleef.
Kein Shop, kein Dach
Hier zeigte der Workshop gleich zwei Probleme auf, die die Realisierung eines lokalen Online-Marktplatzes im Keim erstickten: mangelnde Teilnahme und damit wohl wenig Kümmerer sowie die Tatsache, dass die wenigsten Händler über ein Warenwirtschaftssystem verfügen, das an einen Online-Shop anbindbar wäre. „Wenn das keiner hat, braucht es auch kein Dach“, bestätigte Roland Wölfel von der Cima.
Wölfel und Herrmann gaben zu bedenken, dass eine solche Plattform nicht alle Probleme löse; sie sei nur ein Baustein. „Jeder muss für sich eine Strategie entwickeln.“ Und genau da wollen Cima und Wirtschaftsförderung nun ansetzen – mit einem „Mosaikstein-Prinzip“. Das sieht neben Einzeltools wie dem Heimatgutschein Hilfe bei Förderprogrammen für die Digitalisierung sowie die Schulung der digitalen Kompetenz für die Willigen, wie es Wölfel nannte, vor.
Handy hinterm Tresen
Denn laut Schleef mangle es bei vielen heutzutage selbst noch am Google Business-Eintrag. Eine Teilnehmerin gab zu, dass sie keine Ahnung hätte, wie Social Media funktioniere. Schleef riet zu einem Redaktionsplan, wann man wie was postet, zu Blicken hinter die Kulissen und vor allem zu schnellem Reagieren auf Kundenanfragen. Dabei kam die Idee auf, dass Geschäftsleute aus der Region, die darin schon richtig gut seien, interessierten Kollegen in einem Stammtisch-Format praktische Tipps geben könnten.
Davon war auch Richartz, wie von der „konstruktiven Diskussion“. angetan. Er wie die Anwesenden waren sich einig, dass die Hemmschwelle niedriger sei, wenn man vor Ort hingehen kann, im Kreis bekannter Leute ist und dann learning by doing betreibt. Daher will er sich nun auf die Suche nach digitalen Vorbildern machen und Themen ausarbeiten, damit ab 2022 der Weg in die digitale Daseinsvorsorge weitergegangen werden kann.
Der Beitrag Wie steht’s um die „Digitale Daseinsvorsorge“ im Nürnberger Land? erschien zuerst auf N-LAND.