NÜRNBERGER LAND — Ob auf der Bundesstraße oder auf der Autobahn: Immer häufiger haben Retter nach eigenen Angaben Probleme, an Unfallstellen zu kommen. Deshalb tragen seit Kurzem sämtliche Einsatzfahrzeuge des ASB Nürnberger Land die Aufschrift „Bei Stau Rettungsgasse bilden!“. Frank Reinhardt, Notarzt und seit fast 15 Jahren im Landkreis im Einsatz, unter anderem für den Arbeiter-Samariter-Bund, hofft auf Wirkung – und auf härtere Strafen für Autofahrer, die andere Verkehrsteilnehmer gefährden.
Herr Reinhardt, ist das Thema Rettungsgasse wirklich so akut?
Reinhardt: Leider ja. Wir haben immer öfter Schwierigkeiten, mit unseren Fahrzeugen zum Einsatzort zu kommen. Das Toleranzverhalten der Autofahrer gegenüber den Einsatzkräften hat in den vergangenen Jahren rapide abgenommen. Jeder schaut auf sich. Nach dem Motto: Wenn ich jetzt anhalte oder auf die Seite fahre, komme ich ja später an. Es ist eine Entwicklung, die ich mit großer Sorge beobachte.
„Jeder Stau birgt Gefahr“
Das heißt, es entstehen immer öfter gefährliche Situationen auf den Straßen?
Reinhardt: Ja, sowohl für die Retter als auch für andere Autofahrer. Der erste Unfall ist oft noch gar nicht das Problem. Das Drama entsteht oft später, wenn nämlich in der Folge noch weitere Unfälle passieren, weil die Leute einfach nicht aufpassen. Jeder Stau birgt eine große Gefahr.
Wie sieht denn die ideale Rettungsgasse aus? Sollte man anhalten oder besser langsam weiterfahren?
Reinhardt: Grundsätzlich gilt: Jedes stehende Auto ist ein Sicherheitsfaktor. Für die Retter wie auch für andere Autofahrer. Innerorts ist anhalten in jedem Fall das Beste, da können wir mit dem Rettungswagen und dem Notarztfahrzeug ja nur langsam fahren und es gibt wenig Möglichkeiten, zur Seite zu fahren. Leider kommt es immer wieder vor, dass der Erste anhält, aber dahinter Fahrzeuge plötzlich ausscheren und noch schnell überholen. Das ist sehr gefährlich. Auf der Autobahn ist es besser, langsam weiterzufahren, wenn das möglich ist, auch wenn Rettungskräfte und Abschleppwagen noch nicht durch sind. Hier geht es grundsätzlich darum, dass der Verkehrsfluss möglichst schnell wieder in Gang kommt und ein Stau vermieden wird. Die schwersten Unfälle in den vergangenen Jahren waren die, bei denen Fahrzeuge hinten ins Stauende gerast sind. Zu dem eigentlichen Unfall, der vielleicht gar nicht so schwer war, kommt dann schnell ein weiterer hinzu.

Wird zu dicht aufgefahren?
Reinhardt: Das ist in der Tat ein großes Thema. Oft ist es Gedankenlosigkeit. Oder die Leute sind unter Druck. Dabei gefährdet man sich und andere. Hier müsste es aus meiner Sicht höhere Bußgelder geben, genauso wie bei Raserei. In Ländern, in denen schnelles Fahren richtig Geld kostet, wird automatisch langsamer gefahren. Weil die Leute ihr Fehlverhalten am eigenen Leib spüren.
„Schamgrenze verschoben“
Das Thema Gaffer macht Schlagzeilen. Wie ist Ihre Erfahrung?
Reinhardt: Leider haben auch wir verstärkt Probleme mit Menschen, die unsere Arbeit behindern. Dabei geht es nicht einmal ums Gaffen. Es kommt immer öfter vor, dass da Leute um ein verunglücktes Fahrzeug herumstehen und fotografieren, statt zu helfen. Die reagieren selbst auf Aufforderung oft nicht. Wir sind leider deshalb immer öfter gezwungen, die Polizei dazuzurufen. Abgesehen davon dass hier wertvolle Zeit verstreicht, müssen wir auch darauf achten, dass die Persönlichkeitsrechte der Unfallopfer gewahrt bleiben. Die Schamgrenze von Menschen hat sich da leider offenbar verschoben. Wir hatten schon Fälle, wo Leute in das Auto hineingeknipst und das Foto der Verletzten in den Netzwerken gepostet haben. Das ist unverantwortlich
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